Die Diskussion um technologischen Wandel und seine sozialen Folgen muss raus aus der elitären Filterblase und die Gesellschaft in der Breite erreichen. Eine „Bundeszentrale für technologischen Dialog (btd)“ kann eine wichtige Rolle dabei einnehmen, die res technica zu gestalten.
Dieser Tage ist regelmäßig die Rede davon, dass wir eine gesellschaftliche Debatte über Technologischen Wandel und Digitalisierung brauchen. Das wird unter anderem zu Fragen der Künstlichen Intelligenz, zu Datenwirtschaft und Algorithmen oder der Automatisierung von Arbeit gefordert. Gut so. Gesellschaft muss debattieren, sich streiten und Interessen abwägen, um zu einem gemeinsamen Verständnis von Gemeinwohl zu kommen. Das geht natürlich nicht ohne Kompromisse und, natürlich, den Einbezug möglichst vieler Teile von Gesellschaft. Und gerade bei diesen Thema ist das notwendig, denn wir reden hier nicht von einer technologischen Revolution, sondern vor allem von einer sozialen.
Nun verhält es sich aber so: Zum einen kommen diese Forderungen meistens von Menschen und Organisationen, die ihrerseits bereits klare Vorstellungen zur Zukunft von Digitalisierung haben. Es wäre sicher nicht böswillig zu unterstellen, dass hier weniger der ergebnisoffene Austausch von Argumenten mit dem Ziel gemeinsamer Konsensfindung gesucht wird, sondern eher das größere Plenum für die eigene Position. „Wir brauchen eine Debatte“ ist dann wohl eher als ein Code für „Hört mir zu und folgt meiner Meinung.“ zu verstehen. Gegner und Befürworter von Digitalisierung stehen sich da in der Regel in nichts nach. Wer eine ehrliche Debatte in einer Demokratie fordert, sollte aber zumindest bereit sein, seine eigene Position zu hinterfragen und eventuell zu ändern. Alles andere ist argumentative Nabelschau.
Zum anderen fällt auf, dass die bisherigen Diskussionen regelmäßig in vergleichsweise kleinen, elitären Runden geführt wird. Häufig gesichtete Erscheinungsform: Die Podiumsdiskussion mit 3-4 vermeintlichen Expertinnen, oft vor fachkundigem oder zumindest affinem Publikum, gern in universitärem Umfeld. Die Menschen draussen in Radebeul oder Ingolstadt sind dann gern insofern Teil der Debatte, als sie höchstens in Form von Studienergebnisse („Für X% der Deutschen überwiegen die Chancen der Digitalisierung!“ „Y% der Deutschen haben Angst vor Robotern!“) auftauchen. Echte Beteiligung und Diskurs in der Breite ist das nicht.
Das kann man schon so machen. Aber dann ist es halt ein Elitendiskurs, der nicht wirklich auf die Weiterentwicklung gesellschaftlicher Grundverständnisse auf breiter Basis abzielt. Aber gerade weil der technologische Wandel vor niemandem Halt macht, darf das nicht sein. Nahezu alle Menschen in unserer Gesellschaft sind betroffen. Daher müssen wir darüber nachdenken, wie auch möglichst viele Menschen beteiligt werden können.
Wir brauchen also zweierlei: Zum einen müssen wir Orte, Formate und Prozesse finden, die echten Dialog in der Breite ermöglichen. Nicht nur zwischen Eliten, sondern vor allem zwischen möglichst vielen Menschen in den Schulen, an den Arbeitsplätzen, zu Hause. Das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Es wird ein langer, andauernder Prozess sein müssen, denn der Technologische Wandel hört nicht auf. Und es wird viel Anstrengung und Arbeit kosten. Aber das ist normal, wenn man Menschen bei dieser sozialen Revolution mitnehmen will, wie es Staatsministerin für Digitalisierung, Doro Bär, sagt. Wenn man auf Augenhöhe mit Ihnen reden will, ohne sie zu belehren und sie vom eigenen Standpunkt ex cathedra überzeugen.
Zum anderen müssen wir uns im klaren darüber werden, dass der Dialog natürlich Fachkunde braucht. Wer eine Blockchain nicht von einer verteilten Datenbank unterscheiden kann, tut sich schwer in der Beurteilung ihrer Perspektiven. Wer nur die Kritiker von Überwachungstechnologien zu hören bekommt, kennt nur die eine Hälfte des Bildes. Viel ist dieser Tage die Rede von digitalen Kompetenzen, die vermittelt werden müssen – ohne jedoch genau zu beschreiben, was damit gemeint ist. Programmierkenntnisse? Agiles Mindset? Datenkunde? Ein gemeinsames Verständnis darüber, was wir wissen müssen und Aufklärung darüber tut not.
Doch wie kann das gelingen? Gefragt sind Vermittler, die solche Kompetenzen neutral vermitteln können, damit eine Urteilsbildung vorurteilsfrei ermöglich wird. Medien, die grundständige Informationen liefern und ein Bild über mögliche Risiken und Chancen gleichermaßen vermitteln. res technica will zukünftig einen Beitrag dazu leisten. Aber das wird nicht reichen.
Diese Mammutaufgabe kann natürlich nicht von einer Stelle allein geleistet werden. Gefragt sind wir alle, die Zielgruppen erreichen und Diskurse organisieren können. Zivilgesellschaft als selbst organisierte Kraft kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Im Sinne von Collective Impact sind aber auch Wirtschaft und Staat gefragt. Letzterer zum Beispiel könnte sich überlegen, ob er nicht analog ähnlich gelagerter Aufgaben bei Demokratie- und Gesundheitsbildung auf Bundes- und Landesebene eine Entsprechung zur Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bzw. für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) schafft. Eine solche „Bundeszentrale für technologischen Dialog (btd)“ könnte sich zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und den wirtschaftlichen Treibern des Wandels der Aufgabe widmen, Basiswissen zu vermitteln, Denkanstösse zu liefern und Debatten zu organisieren.
Sie wäre ein wichtiger und dauerhafter Ankerpunkt in einer dynamischen und lange andauernden Entwicklung von Technologien und ihrer sozialen Folgen. Zum Wohle einer Gesellschaft, die einen selbstbestimmten, informieren Umgang mit Technologien anstrebt. Und zum Wohle der Menschen, die Orientierung suchen, mitentscheiden und den technologischen Wandel mit gestalten wollen.
(Bildnachweis: Olga Guryanova, unsplash)